Die Sprache der Langsamkeit- Wenn Berührung zuhört

Gerne teile ich mit euch einen Selbsterfahrungserlebnis.

Es gibt Momente in der Körperarbeit, die ganz still sind – und gerade deshalb so tief wirken. Momente, in denen nichts getan werden muss. In denen Berührung zu einem Lauschen wird.

In einer meiner letzten Sessions durfte ich so einen Moment erleben.
Wir begannen langsam, mit geerdeten, achtsamen Berührungen. Die Absicht war klar: Self-Empowerment – meinem Körper die Führung übergeben. Ich sprach aus, was er brauchte, welche Impulse auftauchten, welche Bewegungen sich zeigen wollten. Sie hörte zu, nahm auf, setzte um. Irgendwann kamen wir zu den Händen.
Wir forschten gemeinsam, welche Art von Berührung sich dort gerade stimmig anfühlte. Nach einer Weile zeigte sich: es war der Daumen. Sie strich mit ihrer Hand über den Daumenballen – ruhig, klar, geerdet. Es fühlte sich sehr wohltuend an. Dann blieb sie einfach dort. Hielt den Daumen. Still. Mein Atem wurde tiefer, mein Körper weicher. Ich konnte fühlen wie sich mein Körper noch mehr entspannte. Gleichzeitig war ich ganz präsent und wach. Am Wahrnehmen und Beobachten. Es war, als würde mein ganzes System leise aufatmen und nachnähren. Erinnerungen tauchten auf, Empfindungen, innere Bilder. Nichts Spektakuläres – und doch war alles in Bewegung. Körperstellen fingen sich an miteinander zu verbinden und die Energie fing an zu fliessen.

Nach der Session sprachen wirdavon, dass sich das sonare System mit dem lunaren System verbunden hat. Ich liebe dieses Bild.

🌙 Sonar und Lunar – zwei Körperintelligenzen

Diese Begriffe stammen aus der somatischen und tantrisch-energetischen Arbeit, oft auch in der Sexological Bodywork-Welt verwendet.

Lunar steht für das rezeptive, aufnehmende, hörende, Yin-Prinzip. Es beschreibt das Nervensystem, wenn es in tiefer Regulation, in Kontakt, im Fühlen ist. Lunarer Kontakt ist weich, lauschend, still.

Sonar (vom Sonar der Delfine) steht für das sendende, orientierende, erkundende Prinzip – das Yang. Es ist die Körperintelligenz, die den Raum abtastet, Impulse aussendet, Verbindung aufnimmt und Rückmeldung empfängt.

Wenn diese beiden Kräfte miteinander schwingen, entsteht Balance. Ein Zustand, in dem der Körper sich sicher fühlt und gleichzeitig lebendig ist. Diese Form der Berührung nennt man Präsenzberührung.

In manchen somatischen Richtungen wird es auch als:

• Containment Touch (haltende Berührung)

• Holding (nach D.W. Winnicott aus der Bindungs- und Körperpsychotherapie)

• Resonant Touch oder Attuned Touch (abgestimmte Berührung)

• oder einfach Somatisches Lauschen bezeichnet.

Wenn jemand lange und still eine Körperregion hält, ohne zu wollen, dass etwas passiert, entsteht im autonomen Nervensystem Sicherheit. Das Halten wird zu einem Anker für Regulation.

Die Muskeln, die sonst subtil in Alarmbereitschaft sind, beginnen zu entspannen. Dadurch steigen unvollendete Impulse, Gefühle oder Erinnerungen auf – das System nutzt die neue Sicherheit, um sich selbst zu reorganisieren.

Darum kommen plötzlich andere Körperteile „mit ins Bewusstsein“: das Nervensystem verbindet Punkte, die vorher isoliert waren. Für mich war es ein tiefes Ankommen im Körper-Ich.

Langsamkeit wurde zur Lehrerin. Berührung wurde zu einer Sprache, die nicht mit Worten spricht. Es wär Präsenz, Wahrnehmung, Atem, Zulassen und Einsinken. Vertrauen in mich.

Vielleicht ist das die Essenz von Berührung: Nicht zu tun, sondern zu bleiben. Nicht zu wollen, sondern zu lauschen. Nicht zu verändern, sondern Raum zu halten – damit sich das Leben selbst zeigen kann. Damit sich das zeigen kann, was in Wahrheit da ist. Das ist für mich wahre Intimität.

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Entwicklungs- und Bindungstrauma